Am westlichen Stadtrand erheben sich über der Oder die imponierenden Mauern der Festung Kostrzyn. Dank ihnen verbindet man seit dem 16. Jh die Stadt mit der modernen, imposanten und uneinnehmbaren Festung, welche Einfluss auf das Schicksal der gesamten Region hatte. Mittelalterliche Siedlungen, die am Zusammenfluss großer Flüsse lagen, hatten fast immer eine militärstrategische Bedeutung.
Jan Hohenzollern, der 1535 Kostrzyn und die Neumark erbte, war der Ideengeber des Plans zur neuartigen Befestigung der Stadt. Während seiner Regierungszeit (1535-71) war Kostrzyn die Hauptstadt der Neumark, was maßgeblich zur Stadtentwicklung, der wachsenden Bedeutung sowie dem Bau der Befestigungen beitrug.
Die Festung hatte die Form eines gestreckten Sechsecks mit anfänglich fünf fünfeckigen Bastionen an den Eckstellen des Festungswalls. In der 2. Hälfte des 17. Jh entstand eine sechste Bastion und im 18. Jh erhielten die Bastionen Namen: Król (König), Królowa (Königin), Książę (Prinz), Księżniczka (Prinzessin), Filip (Philip) und Brandenburgia (Brandenburg). Nach etwa 40 Jahren intensiver Arbeit wurde Ende des 16. Jh der Bau der Grundelemente der Festung beendet.
Während des Dreißigjährigen Kriegs bewährte sich die Festung als Schutzort – keine der vielen durch Brandenburg ziehenden Armeen riskierte ihre Belagerung. Zur gleichen Zeit begann der Ausbau der Festung und es wurden neue Außenwerke hinzugefügt – Ravelins und eine Brückenkopfschanze. In der 2. Hälfte des 17. Jh und Anfang des 18. Jh wurde sie mehrfach modernisiert. Erwähnenswert ist, dass das Aufrechterhalten eines wirkungsvollen Schutzes der Festung mit erheblichen Kosten verbunden war. Neben der stetigen Anpassung des Objekts an die Aufgaben der Garnison mussten auch die Mauern regelmäßig renoviert und der Graben vielfach entschlammt werden. In den 1730er Jahren wurde die Bastion „Brandenburgia“ unterspült und zerstört. Es folgte eine Rekonstruktion, allerdings mit kleineren Ausmaßen.
Neben der Festung entwickelten sich auch die Vorstädte von Kostrzyn. Sie wurden nach den Wegen benannt, die sie mit dem Festland verbanden - der Krótka und Długa Grobla (grobla - dt. Damm). Die Vorstadt Krótkie Przedmieście hatte einen landwirtschaftlichen Charakter und umfasste einen Teil der heutigen Stadt. Długie Przedmieście lag am Westufer der Oder. Dort befand sich auch eine Fischerkolonie (Holzsiedlung), welche u. a. von Nachkommen slawischer Fischer bewohnt wurde. Mitte des 13. Jh kamen sie zusammen mit dem Land Lubuskie unter die Herrschaft der brandenburgischen Markgrafen. Laut historischer Quellen konnte man an diesem Ort noch zur Jahrhundertwende des 17. und 18. Jh die slawische Sprache vernehmen.
Zur Zeit des Siebenjährigen Kriegs wurde die Festung 1758 auf die Probe gestellt, als die russische Armee Kostrzyn erreichte. Die Bombardierung führte zwar nicht zur Einnahme der Festung, zerstörte aber die Stadt. Auf Befehl von Friedrich II. dem Großen wurde Kostrzyn wieder aufgebaut. Als Napoleons Armee 1806 die Festung erreichte, führte die Erinnerung an die Katastrophe von vor 50 Jahren dazu die Festung kampflos an die Franzosen zu übergeben. Die französische Okkupation dauerte bis 1814 an. Im Jahr 1813 schnitten die Preußen die Festung von ihrem Umfeld ab. Nach einer mehrmonatigen Blockade und angesichts von Hunger und Krankheiten, die im Inneren grassierten, musste die Festung kapitulieren.
Kostrzyn gehörte 1872 zusammen mit Toruń, Poznań, Königsberg und Spandau zur Gruppe der wichtigsten deutschen Festungen im Ostteil des Kaiserreiches, die für einen Ausbau bestimmt waren. Vier Jahre später entstand ein Projekt, das den Bau von acht Forts ringsherum von Kostrzyn vorsah. Das ehrgeizige Vorhaben wurde jedoch 1886 auf ein unabdingliches Minimum reduziert und es entstanden schlussendlich nur vier Befestigungen. Ihre Lage an dominanten Punkten am Zusammenfluss und am Verkehrsknotenpunkt erlaubte es die aus Kostrzyn hinausführenden Wege und Schienen zu kontrollieren. Mit der rasanten Entwicklung der Kriegstechnik schwand die militärische Bedeutung der Festung schnell. Noch vor dem 1. Weltkrieg fiel die Entscheidung zum Abbau der ältesten, völlig veralteten Werke. Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs wurde ringsherum von Kostrzyn ein neuer, weiträumigerer Befestigungsstreifen ausgebaut. Er bestand aus vielen Unterständen und Munitionslagern (zusammen mit neuen Kasernen in zwei Forts waren es 28 Objekte), die teilweise bis heute erhalten sind. Nach dem Kriegsende begann der geplante Abbau von alten Befestigungen ringsherum der Altstadt, viele Militärobjekte wurden aufgrund der Demilitarisierung Deutschlands für zivile Zwecke übergeben.
Die operationelle Bedeutung Kostrzyns als Knotenpunkt von Flussübergängen am Zusammenfluss von Warta und Oder war jedoch ein Fluch, den die Stadt nicht los wurde. 1945 wurde die Festung erneut für eine Abwehr vorbereitet. Die Kämpfe dauerten zwei Monate an und führten zur kompletten Zerstörung der Stadt – das historische Herz wurde nicht mehr wieder aufgebaut. Es blieben nur Ruinen übrig: Überreste von Straßen, Häusern, der Burg und Kirche. Heute trainieren sie die Vorstellungskraft, erzeugen Bilder vom einst pulsierenden Leben im reizvollen, alten Stary Kostrzyn.
Von den denkmalträchtigen Bauwerken der Festung blieben die Bastionen „Król“, „Filip“ und „Brandenburgia“ mitsamt der anliegenden Kurtinen aus dem 16. Jh bestehen. Sie bilden ein wertvolles Ensemble der alten Wehrarchitektur und erlauben es teilweise sich die einstige Macht der Festung Kostrzyn vorzustellen.
Nach Jahren des Verfalls und der Stagnation in den Nachkriegsjahren erlebt die Festung heute ihre zweite Jugend. Im Inneren wurde ein imposantes Museum eröffnet (im Untergrund der Bastion „Filip“) und durch umfangreiche Forschungs- und Renovierungsarbeiten werden die Objekte zu touristischen Zwecken adaptieren. Erwähnenswert ist, dass Kostrzyn nad Odrą für den Schutz und die Renovierung dieser einzigartigen Objekte 2008 den ersten Preis im Wettbewerb „Polska Pięknieje – 7 Cudów Funduszy Unijnych” gewann.
Falls man die Festung und Altstadt selbständig besichtigen möchte, ist es lohnenswert auch über die Brücke des Festungsgrabens und durch das Tor Brama Chyżańska zu gehen, welches in Relation zum Berlińska-Tor auf der anderen Seite der Festung steht. Anschließend kann man in die Kasematten der Bastion „Filip“ hinabsteigen, wo sich imposante Museumsausstellungen befinden (die Öffnungszeiten und Besichtigungsbedingungen befinden sich auf der Webseite des Museums).
Als Nächstes steigt man auf ebendiese Bastion, von wo aus sich eine malerische Aussicht über die Oder erstreckt, und geht entlang der Promenada Kattego spazieren. Anschließend lohnt es sich einen Spaziergang auf der Bastion „Brandenburgia“ zu unternehmen und in Richtung der Bastion „Król“ und des nahen Berlińska-Tores gehend an den Ruinen der Burg und der Kirche anzuhalten.